Einfach mal den Mund halten!

Schluss. Aus. Ende der Diskussion. Eine Satire für Gesprächsverweigerer und solche, die es werden wollen.

1. Hören Sie nicht zu und zeigen Sie es auch.
Entmutigen Sie, machen Sie von Anfang an klar, dass sie nicht interessiert sind. Blicken Sie zu Boden, aus dem Fenster, den Flur hinunter. Sonstwohin, nur nicht in das Gesicht Ihres Gegenübers. Untermalen Sie Ihre demonstrative Langeweile mit einer Reihe von gequälten Seufzern, unterdrücken Sie, leider vergeblich, ein Gähnen. Spielen Sie mit Ihrem Feuerzeug, Ihrer Armbanduhr, studieren Sie die ungeheuer wichtigen Papiere, von denen Sie natürlich stets einen Stapel mit sich tragen sollten. Ãœberprüfen und senden Sie SMS, zupfen Sie an Ihrer Kleidung und kontrollieren Sie, ob Ihre Brille noch sauber genug ist. Halten Sie Ausschau nach anderen Menschen, die Sie natürlich „ganz dringend“ noch etwas fragen müssen
Killersatz: „Mensch, wenn ich nicht bald meine Teepause habe, kriege ich ganz schlechte Laune.“

2. Seien Sie aggressiv!

Nehmen Sie eine angriffsfreudige Haltung ein, die zeigt, dass Sie den Gesprächswunsch an sich bereits für eine erstaunliche Frechheit halten. Denn Sie – und nur Sie! – hätten allen Grund zu klagen. Sie wollen aber nicht, nicht jetzt. Sie sind nicht so eine Memme, die immer über alles reden muss, Sie haben Wichtigeres zu tun. Verlangen Sie unerfüllbare und erniedrigende Vorleistungen für einen eventuellen späteren Termin: „Wenn überhaupt, geht es nur Freitag gegen 23.15 Uhr!“ An Ihrer Abneigung, sich überhaupt auf ein Gespräch einzulassen, trägt vorwiegend das bisher so schändliche Verhalten des anderen Menschen (zum Beispiel hört er nie zu!) die volle Schuld – Sie haben aufgegeben. Warum sollten Sie ihm nun den Gefallen eines Gesprächs tun? Sie sind doch keine seelische Müllkippe!
Killersatz: „So bringt das nichts.“

3. Lassen Sie den anderen nie ausreden!
Sie wissen ja ohnehin, was kommt. Also unterbrechen Sie frühzeitig, vervollständigen die Sätze des anderen – in welche missverständliche und sinnentstellende Richtung auch immer. Fragen Sie nicht nach, denn das signalisiert den Willen zum Verstehen. Behaupten Sie stur, Ihr Partner wolle doch im Grunde etwas ganz anderes ausdrücken, fl üchte sich bloß aus Feigheit (ersatzweise: Scham, Opportunismus etc.) auf diese „Nebenkriegsschauplätze“ und rede konsequent an der Sache vorbei. Ziehen Sie alle Aussagen in Zweifel, interpretieren Sie diese waghalsig neu und unterstellen Sie prinzipiell sachfremde Motive: „Das sagst du doch jetzt nur so, weil …“ Vermitteln Sie unmissverständlich, worum es geht: Ihre gelassene Ãœbersicht gegen die wirren Satzfetzen eines Neurotikers.
Killersatz: „Das ist ja wieder mal typisch.“

4. Beharren Sie auf Ihrem Standpunkt!
Lassen Sie keinen Zweifel daran, dass jedes, wirklich jedes Gespräch (auch unter 60 Sekunden Dauer) ein gnädig gewährtes Almosen bedeuten würde, aber keinesfalls Ihre feste Meinung zum Thema (zu jedem Thema!) verändern kann, egal ob es die Aufgabenteilung im Haushalt oder einen Flirt an der Supermarktkasse betrifft . Gehen Sie nicht auf Argumente oder Anregungen ein, sondern wiederholen Sie stur Ihre Position. Wenn Sie keine haben, denken Sie sich rasch eine aus, ganz egal, wie absurd sie sein mag. Es kommt auf die Festigkeit der Abwehrmauer an, nicht auf Logik.
Killersatz: „Ich habe ja schon immer gesagt “

5. Wechseln Sie das Thema!
Verwirren Sie mit abrupten und unerwarteten Themensprüngen. Will der Gesprächspartner über Ihren „unangemessenen Tonfall“ oder den Rausschmiss der fünft en Putzfrau in vier Wochen sprechen, erörtern Sie die Chancen der neuen Trattoria im Viertel, Kunden vom Stammitaliener abzuwerben. Kommt die Rede auf unangenehme Pflichten (Elternabend, Handwerker anrufen), fragen Sie, wo Ihr Gegenüber denn eigentlich diese schaurig-schöne Krawatte (ersatzweise: Handtasche, Schuhe etc.) aufgetrieben habe. Und da wir gerade beim Thema sind: Wo ist eigentlich diese andere Krawatte (bzw. Handtasche) geblieben, die aus Kapstadt? Oder war es Mailand?
Killersatz: „Das ist mir alles viel zu unstrukturiert.“

6. Blockieren Sie jede Lösung!
Jedes Gespräch, das zustande kommt, birgt die Gefahr eines sinnvollen Ergebnisses und ermuntert so zu lästigen Wiederholungen. Verhindern Sie also jeden Ansatz zu einem Ergebnis, eröffnen Sie lieber destruktive Nebenkriegsschauplätze. Sparen Sie nicht mit abstrusen und möglichst schwammigen Gegenangriffen à la „Irgendwas muss aber mal ganz anders werden“ und „Ich wusste, dass du das alles nicht packen würdest“. Hilft das nichts, gehen Sie zu per sönlicheren Bemerkungen über: „Irgendwie bist du immer so maulig/unzufrieden/ ruppig/albern“. Seien Sie beiBedarf so ansatz- wie hemmungslos beleidigt. Reagieren Sie enttäuscht, wenn der andere – wieder mal, wie immer – nicht auf Ihre „Sorgen“ eingeht. Tut er es doch, erklären Sie, diese Anteilnahme käme aber „reichlich spät“. Seien Sie egoman und machen Sie Ihre misanthropisch geprägte Befindlich keit zum beherrschenden Thema. Verlangt man von Ihnen, Sie mögen bitte konkreter werden, schalten Sie sofort auf Schmollen und erklären, ein wenig mehr Einfühlungsver mögen hätten Sie sich schon erhofft . Zur Verstärkung: Dackelblick und resignatives Schniefen.
Killersatz: „Wie ich mich dabeifühle, das hat dich ja noch nie interessiert!“

7. Blicken Sie pessimistisch zurück!
Blicken Sie nie in eine partnerschaftliche Zukunft. Kehren Sie immer zur unerfreulichen Vergangenheit zurück, in der Gegner- statt Partnerschaft herrschte. Stellen Sie eine desaströse Bilanz der bisherigen Beziehungen auf und erklären Sie das Verhältnis im Kern für unrettbar. Graben Sie Versäumnisse und Vorfälle jeder Art aus, je weiter zurückliegend, umso besser. Notfalls erfinden Sie Szenen aus der Vergangenheit, in denen nur Ihr verzeihendes Schweigen den Eklat und die komplette Blamage des anderen verhindern konnte. Eventuelle Einwände, das habe sich „doch ganz anders“ abgespielt, parieren Sie mit einem süffisant-wissenden Lächeln, das klar macht: Ihr Gesprächspartner hat sein peinliches Verhalten von damals nur zu gern verdrängt.
Killersatz: „Bei dem, was du dir schon alles geleistet hast “

8. Verteilen Sie Seitenhiebe!
Lassen Sie die Psychoexpertin raushängen, und zwar gaaaanz weit! Analysieren Sie den anderen mit schonungsloser Schärfe: dessen traumatische Kindheit in der völlig verkorksten Familie, seine Urängste und Hauptschwächen, sein regelmäßiges Versagen in Krisensituationen, seine familiären Probleme, Gewichtsschwankungen, Atemnot, ästhetische Verwirrtheit, Autoritätsprobleme mit den Kindern. Erzählen Sie Witze über den anderen, fragen Sie, ob er eigentlich weiß, was man sich so im Kollegen- beziehungsweise Freundeskreis über ihn erzählt. Ach, nicht? Na, ist vielleicht auch besser so Machen Sie klar, dass kaum ein anderer Mensch so nachsichtig mit all diesen persönlichen Mängeln umgehen würde. Destabilisieren Sie konsequent mit abwertenden und möglichst sarkastischen Seitenhieben. Erklären Sie ihn zur Marionette, die nur die „Weisheiten“ von Mamiund Papioder dem besten Freund nachplappert.
Killersatz: „Wo hast du denn diese Erkenntnis auf einmal her?“

9. Provozieren Sie den Abbruch!
Werden Sie in einer weiteren Eskalationsstufe ausfallend, setzen Sie Ihre ganze Verweigerungsmacht ein und drohen Sie mit allem, was Ihren Partner schmerzen könnte: sinnlose Ausgaben, Trennung, körperliche Reaktionen von Kopfschmerzen bis zur Magenschleimhautentzündung, Campingurlaub Besonders tauglich in einer ohnehin kriselnden Partnerschaft : Sexentzug. Will jetzt jemand immer noch reden, werden Sie immer leiser und gemeiner. Der sicherste Weg zum Ende jeden Gesprächs führt über einen Schrei- oder Heulkrampf des anderen. Greifen Sie dafür auf alle intimen Kenntnisse über seine Schwachstellen zurück. Wer brüllt oder mit einem Heulkrampf, womöglich gar Türen schlagend hinausrennt, erklärt die Kapitulation – mit dem ist eindeutig kein „vernünft iges“ Gespräch zu führen.
Killersatz: „Oh, auf einmal so empfindlich?“

10. Behalten Sie das letzte Wort!
Immer. Sowieso. Knallhart.
Killersatz: „Und ich dachte, wir könnten uns ein Mal wie zweierwachsene Menschen unterhalten “

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