Von spinnenden Spinnen 1

Fünfmal so reissfest wie Stahl und dreimal so fest wie die derzeit besten synthetischen Fasern: Spinnenseide ist ein faszinierendes Material

Bislang konnte niemand die Super-Fäden technisch herstellen. Wie schafft es die Spinne, aus den im Inneren der Spinndrüse gespeicherten Spinnenseidenproteinen in Sekundenbruchteilen lange, hochstabile und elastische Fäden zu ziehen? Diesem Geheimnis sind Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und der Universität Bayreuth (UBT) nun auf die Spur gekommen.

Spinnenfäden bestehen aus Eiweissmolekülen, langen Ketten, die aus Tausenden von Aminosäure-Bausteinen aufgebaut sind. Röntgenstreuungsexperimente zeigen, dass sich im fertigen Faden Bereiche befinden, in denen mehrere Eiweißketten über stabile physikalische Bindungen miteinander vernetzt sind. Sie bewirken die Stabilität. Dazwischen befinden sich unvernetzte Bereiche, sie sind für die hohe Elastizität verantwortlich.

In der Spinndrüse herrschen ganz andere Verhältnisse: In einer wässrigen Umgebung lagern hier die Seiden-Proteine in hoher Konzentration und warten auf ihren Einsatz. Die für die festen Quervernetzungen verantwortlichen Bereiche dürfen sich dabei nicht zu nahe kommen, da sonst die Eiweisse augenblicklich verklumpen würden. Es musste also eine Art Speicherform dieser Moleküle geben.

Die sonst so erfolgreiche Röntgenstrukturanalyse konnte zur Aufklärung nichts beitragen, da sie nur Kristalle analysieren kann. Bis zu dem Moment, an dem der feste Faden entsteht, spielt sich jedoch alles in Lösung ab. Die Untersuchungsmethode der Wahl war daher die Kernmagnetische Resonanz-Spektroskopie (NMR). An den Geräten des Bayerischen NMR-Zentrums gelang es dem Biochemiker Franz Hagn die Struktur eines Regulationselements aufzuklären, das für die Bildung des festen Fadens verantwortlich ist.

Unter den Speicherbedingungen in der Spinndrüse sind immer zwei dieser Regulationsbereiche so miteinander verknüpft, dass die quervernetzenden Bereiche beider Ketten nicht parallel zueinander liegen können.Die Vernetzung ist damit wirkungsvoll unterbunden.Die Eiweissketten lagern sich dann so zusammen, dass polare Bereiche außen sind und die Wasser abweisenden Teile der Kette innen. Dies stellt die gute Löslichkeit in der wässrigen Umgebung sicher.

Gelangen die so geschützten Proteine in den Spinnkanal, finden sie dort eine völlig andere Salzkonzentration und -zusammensetzung vor. Die beiden Salzbrücken der Regulatordomäne werden dadurch instabil und die Kette kann sich entfalten. Durch die Strömung im engen Spinnkanal treten zudem starke Scherkräfte auf. Die langen Eiweissketten werden parallel zueinander ausgerichtet, und nun liegen auch die für die Quervernetzung verantwortlichen Bereiche direkt nebeneinander. Ein stabiler Spinnenseidenfaden entsteht.

Quelle:

A conserved spider silk domain acts as a molecular switch that controls fibre assembly
F. Hagn, et. al., Nature 2010, DOI: 10.1038/nature08936

One comment on “Von spinnenden Spinnen

  1. Reply Shanae Nov 26,2011

    Es ist nicht einfach gute Quellen im Internet zu finden. Dafür findet man dann doch immer wieder solche Perlen wie diese Seite hier. Ich hoffe das sich die Qualität der Informatioen auf Dauer hält. Weiter so!

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