Eine Stimme 3

Ich bin eine Stimme, die Stimme eines Menschen.
Ein paar Minuten lang darf ich mich bei dir aufhalten, wenn du die Freundlichkeit hast, mir solange zuzuhören.
Es gibt unzählige Stimmen in der Welt,
ein gewaltiges Durcheinander von Stimmen.
Auch heute werden viele Stimmen an dein Ohr schlagen, deutlich oder undeutlich.
Die meisten davon wirst du wieder vergessen.
Du wirst auch die Stimme,
die jetzt zu dir spricht, wieder vergessen, das ist ganz natürlich, alle menschlichen Stimmen verklingen und werden vergessen.
Eine Stimme aber gibt es, die wird niemals verstummen.
Freilich wird sie von sehr vielen Menschen nicht gehört.
Trotzdem spricht sie. Es ist damit so, als wenn du jetzt, während ich spreche, alles mögliche andere tust, im Zimmer hin und hergehen, pfeifen oder mit Anderen reden würdest.
Wie oft kommt das vor, man spricht dann eben ins Blaue hinein, das ist nicht anders, wenn die eine Stimme, die da spricht, in viele tausend Wohnungen gelangt.
So ähnlich ist es auch mit der anderen Stimme.
Sie spricht, und viele Menschen, zu
denen sie spricht, hören nicht zu. Aber bitte:
wenn das nun eine Stimme ist, die man
unbedingt hören muss, eine Stimme,
die einem etwas ganz Wichtiges zu sagen hat, das Wichtigste von der Welt – wäre es nicht leichtsinnig, ja wahnsinnig, wollte man ihr nicht lauschen?
Ich, der ich in diesen Minuten zu dir spreche, die Stimme eines Menschen – ich kann dich höchstens erinnern. Nämlich daran, dass auch zu dir eine ganz andere Stimme spricht, heute und alle Tage, und dass diese Stimme dir nicht nur irgend etwas ganz Wichtiges, sondern das Allerwichtigste von der Welt zu sagen hat.
Sie spricht nicht durch einen Apparat zu dir, sondern ganz unmittelbar. Sagen wir Рdurch dein Herz Рund indem sie zu dir spricht, wirbt sie zugleich um dich, dass du doch zuh̦ren solltest, nicht nur heute, sondern auch morgen, und wenn m̦glich alle Tage.

3 thoughts on “Eine Stimme

  1. Pingback: TXT94 Guckloch

  2. Reply Beverly Apr 6,2006

    Am Anfang dachte ich, das lese ich gar nicht zu Ende. Hörte sich so nach Bekehrung an. Aber dann trotzdem weitergelesen und jetzt: bin ich ungemein berührt. Von dieser Zartheit die in diesen Worten steckt, die mich daran erinnert, dass es diese innere Stimme tatsächlich gibt. – Aber man will sie überhören, weil das jenes Wichtigste, dass sie zu sagen hat, etwas unsäglich Trauriges ist, das man einfach nicht hören möchte. Es reicht schon wenn ich hin un wieder ihre Laute vernehme und weiss, sie ist da. Aber noch bin ich wohl zu jung für das, was sie zu sagen hat und höre lieber weg.
    einen schönen Gruss, Beverly

  3. Reply Bluetime Apr 6,2006

    @beverly…ich glaube nicht dass man dazu zu jung sein kann…ich selber bin bald 36, also auch noch jung und höre sie trotzdem..oder kann sie wahr nehmen,wenn ich ihr eine chance gebe!versuchs mal :-)

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