Heute Nachmittag 2

Muss ich mir diesen Film reinziehen.
Ich werde 2 Pack Tempo verbrauchen, mitleiden, mitweinen, mithoffen und am Schluss mein Bewusstsein erweitert haben dass Leben ein grosses Geschenk ist!

Ausschnitt:


«Lass uns zusammen einen Dokfilm machen», sagt Chrigu.
«Ich steige dann irgendwann aus.»

Aufgewachsen weit weg von anderen Menschen auf einem Bauernhof im Jura. Ein Kind von Aussteigern.
Erzogen an der Waldorfschule. Normaler Jugendlicher, ein paar Ladendiebstähle. Vom Techno zum Punk zum Hippie zum Gangsta zum Metrosexuellen. Habe ihn mit 16 kennen gelernt. Wir machen Filme zusammen. Es war nicht zu erwarten, dass er plötzlich einen Tumor hat. Es war auch nicht zu erwarten, dass er über seinen Tod einen Film drehen wollte. Aber das war sein Wille, sein letzter Akt.

Schlafl os – Schlaf bloß – Kopf hin, Kopf her – Kopf hoch.
Er wollte mal viel Geld verdienen, denn «um Geld soll man sich keine Sorgen machen», also ging er zur Elite der Elite an die Wirtschaftsschule in St. Gallen – nach einem halben Jahr war er am Boden. Er konnte nicht mit Leistungsdruck umgehen.
«Beeil dich ein bisschen mit Filmen, ich glaube es geht nicht mehr lange». Die Mutter kann sich nicht damit abfinden, dass ihr Sohn stirbt, er empfindet ihre Gegenwart als unangenehm. Sie darf nicht bei ihm übernachten, ich darf. Sie diskutieren und streiten, ich filme.
Exhibitionistische Freunde. Du wie ich, ich wie du. Kein Unterschied, wir sind Brüder. Gebt uns eine Bühne.
Nur den Tod inszenieren wir nicht.

Der Jungmoralist im TV: Er wettert gegen die USA, für weniger Konsum und gegen Zigaretten und steckt sich danach selbst eine an. Da liegt er in der Sonne in Frankreich. Gestern haben sie soviel gekifft, dass sie den ganzen Tag schlafen müssen. Und im Armdrücken hat er gegen alle gewonnen.
Und er sagt in seinem Film «Mit Kanonen auf Krebse» in die Kamera: «Wenn ich einen Rückfall habe, dann bringe ich mich um» – Er hat sich nicht umgebracht, sondern einen zweiten Film gemacht.
In Indien. Sein Profil vor der untergehenden Sonne. Das Wasser des heiligen Flusses glitzert, die Tempel schimmern orange. Im Morphinrausch erinnert er sich daran. Später fragt er mich, ob wir wirklich über Indien geredet hätten, oder ob er nur geträumt hätte. Und dann streuen wir seine Asche in den Inn, denn er wollte nach Osten.
Wasser kalt. Nach Osten. Schwimm Bruder. Wir hoffen…

Und das soll ich dann filmen, meint er, das würde einen runden Film ergeben. Und lustig soll er sein der Film. Vier Monate. Viele Worte. Sein Leben noch einmal aufgerollt. Viel Gelacht, wenig geweint, vielleicht zuwenig – und bald war er tot.
Und wir machen einen Film. Seinen Film. Ein Puzzle unterschiedlichster Momente und Stimmungen.
Von Beziehungen und Wegen mit dem Leben umzugehen. Ein Film für alle, die ohne Kompromisse leben. Der Abschied eines Narzisten, der sicher sein wollte, dass wir sein Gesicht nicht vergessen.

2 thoughts on “Heute Nachmittag

  1. Reply jan Okt 25,2007

    und gesehen?

    lg

    jan

  2. Reply Bluetime Okt 25,2007

    @jan….ja und wie!!
    der film berührte enorm, aber eigentlich machte er nicht wirklich traurig, vielmehr aufmerksamer!
    ich als krankenschwester sehe das natürlich nochmals von ner andern seite.
    dich fand ich auch ulkig:-))
    weiter so!!

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