Ich wags mal…. 1

Ich wage es,
meine Gefühle zuzugeben,
nicht über ihnen zu stehen,
sondern berührbar und verletzbar zu sein.
Ich will Worte finden
für das, was ich spüre.

Du sollst von meiner Angst wissen,
aber auch von meinem Mut.
Du sollst meine Unsicherheit spüren,
aber auch meine Festigkeit.
Du sollst mich sehen,
wie ich schwimme, krieche und flieg.
Ich will meine Gefühle bewusst erleben
und dann entscheiden,
wie ich mit ihnen umgehen will.
Ich will sie nicht verdrängen,
noch mich von ihnen beherrschen lassen.

Ich wage es,
mich von meiner Intuition leiten zu lassen,
stärker aus meinem Gespür heraus zu leben.
Nicht mehr alles klar verstehen zu müssen,
weil ich dabei oft an dem Eigentlichen vorbeigehe.
Ich will tiefer wissen
Als nur mit meinem Kopf.

Ich will es wagen,
auch mal keine Argumente des Kopfes
mehr zur Hand zu haben,
sondern auf die Stimme tief in mir zu hören
und aus einer tieferen Weisheit zu schöpfen.

Ich wage der Mensch zu sein,
der ich bin:
unfertig, aber doch glücklich,
unsicher im Neuen und doch wissbegierig,
verwirrt im Ãœberangebot der Ideen,
doch auch begeistert von Kleinigkeiten.
Zweifelnd und zögernd,
dann wieder mutig und ernst,
verzaubert von Worten
oder schweigsam zurückgezogen.
Manchmal zerrissen und voller Widersprüche,
aber auch einseitig und naiv.
Und noch vieles mehr bin ich,
oft nicht genau zu beschreiben.

Ich wage es,
mich selbst so anzusehen,
so zu lieben, wie ich bin
und mich auch so zu zeigen,
ob ich nun dafür geliebt werde
oder nicht.

Ich wage es,
an mich selbst zu glauben:
an meinen Drang nach Reife,
an meine Liebesfähigkeit,
an meine Begabung zur Freundschaft,
an meine entschiedene Ausdauer,
an meine immer neue Hoffnung.

Aber auch wenn ich versage und Fehler mache,
wenn ich unnötig verletze,
wenn ich anderen die Freiheit nehme,
wenn ich kleinkariert werde,
wenn ich mich nicht mehr erneuere,
wenn ich hart und unnahbar werde,

auch dann will ich glauben,
dass neben der Zerstörung
auch das Lebensförderliche in mir wohnt,
und ich will es hervorlocken
mit meiner Hoffnung und meinem Mut.

Ich wage es,
dir zu sagen,
wie ich dich sehe,
auch wenn du es vielleicht
als Ablehnung erlebst.

Ich wage es,
die Rollen abzulegen,
die uns nicht zueinander
finden lassen.

Ich will dich
in deiner ganzen Eigenart
kennen lernen
Und wünsche mir,
daß ich auch von dir so erkannt werde.
Ich wage es,
an das Gute in dir zu glauben,
dir zu vertrauen,
mich dir anzuvertrauen,
dir entgegenzugehen.

Ich wage es,
den Teufelskreis des Misstrauens
zu durchbrechen.
Ich will dich nicht mehr verdächtigen,
dich nicht links liegen lassen.
Mit meinem Vertrauen
Will ich eine andere Wirklichkeit
zwischen uns bauen.

Und selbst wenn ich enttäuscht werde
von dir oder mir,
will ich immer wieder neu hoffen
und nicht zum Menschenverächter werden.

Ich will das Aufbauende in dir,
deine Hoffnung und deinen Lebensmut
hervorlieben und hervorlocken
und so selbst verändert werden.

Ich wage es,
dich allein zu lassen
in deinen Gedanken und Entscheidungen.

Ich will nicht für dich denken,
dich nicht mit meinen Vorschlägen entmündigen
und immer besser wissen,
was für dich gut ist.

Ich wage es,
mich nicht verantwortlich für dich zu fühlen.
Ich lasse dich deinen eigenen Weg finden,
nicht, weil ich dich nicht liebe,
sondern weil ich dich liebe.

Ich wage es,
ich selbst zu sein
und nicht der Mensch,
den du haben möchtest.

Ich wage es,
deine Wünsche nicht zu erfüllen,
falls ich mir dabei selbst untreu werden muss.
Ich will bei mir bleiben
und dich trotzdem finden.

Ich wage es,
mich dir zuzumuten
mit dem, was dir Mühe machen könnte.

Zwar werde ich mich immer wieder ändern,
aber nicht so, wie du mich haben willst,
sondern so, wie mich mein Weg
in die Reife führt.

Ich wage Neues,
weil ich im Alten
nicht mehr leben will.

Ich wage mich vor
In das Fremde und Ungewohnte
mit seinem Schmerz und seinem Glück.

Ich will mich den Veränderungen
mit ihrer Not und Unsicherheit
bewusst aussetzen.

Ich stelle mich Herausforderungen,
kämpfe mit meiner Angst
und aktiviere meine Fantasie.

Ich entfalte mich
und wage zu entdecken,
was noch alles in mir schlummert.

Ich wage es,
dir keine Beweise für meine Liebe zu geben
und von dir nicht zu verlangen,
dass du mir deine Liebe beweist,
weil das uns beide entwürdigt.

Du musst in dir wissen,
ob ich dich liebe,
und ich will in mich hineinhorchen
und feststellen,
wie du zu mir stehst.
Auch will ich dir glauben,
wenn du sagst.
dass du mich liebst,
und nicht an dir zweifeln.

Spüren wie die Liebe des andern
immer nur so stark,
wie wir uns selbst lieben?

Ich wage es,
dir in die Augen zu sehen,
auch auf die Gefahr hin,
dass ich in ihnen Ablehnung
und Unverständnis lesen werde.

Ich will nicht
mit einer Vorstellung von dir leben,
sondern dich ansehen,
wie du bist,
und das Wagnis eingehen,
verwundet zu werden.

Ich wage, allein zu gehen,
nur auf mich geworfen zu sein,
zu mir zu stehen
und Fuß vor Fuß zu setzen.

Wenigstens dieses Stück Weg.
Ich will meine Angst vor dem Alleinsein
erkennen und bekämpfen.

Ich will mich niemand anschließen,
kein Mitläufer sein,
kein Nachbeter und Anhänger,
sondern ein eigenständiger Mensch.

Ich will auf eigenen Füßen stehen
und feststellen, dass sie mich tragen
und dass die Erde hält
und ich auf ihr laufen kann,

als ein freier Mensch.

One comment on “Ich wags mal….

  1. Reply hierundjetzt Okt 22,2007

    ich wage ein leises “ ist das wunderschön“ hier zu lassen… – danke!

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