Wahr-nehmen 12

Als Mutter eines ADS Kindes ist das Wort Wahrnehmung für mich ständig präsent. Doch was heisst überhaupt Wahrnehmung wirklich?

Wikipedia sagt dazu: Wahrnehmung bezeichnet im Allgemeinen den Vorgang der bewussten Aufnahme von Informationen eines Lebewesens über seine Sinne.

„Wara neman“ – bei den alten Germanen bedeutete dies, einer Sache Aufmerksamkeit zu schenken. Von diesem Moment bis zum „wahr nehmen“, also dem Erfassen, wie etwas ist, laufen im Körper viele komplexe Vorgänge ab, an denen zahlreiche Strukturen beteiligt sind.

Um zu überleben, muss sich der Organismus in seiner Umwelt zurechtfinden – einer Umgebung, die sich permanent ändert und ununterbrochen zahllose Reize aussendet. Diese müssen aufgenommen, nach Wichtigkeit sortiert, verarbeitet und interpretiert werden, das Gehirn muss entscheiden, ob eine Reaktion nötig und sinnvoll ist und diese ggf. einleiten. Die meisten dieser Prozesse laufen ständig und unbewusst ab, nur ein winziger Teil gelangt ins Bewusstsein.

Die Wahrnehmung oder auch Perzeption ist eng verknüpft mit der Kognition, ein Begriff der sich vom lateinischen Wort für Erkennen ableitet. Er wird zwar uneinheitlich definiert, meint aber meist die Verarbeitung und Umgestaltung von Informationen im Gehirn, die sich durch Fähigkeiten wie Lernen, Erinnerungsvermögen, Aufmerksamkeit, Fähigkeiten zur Planung, Kreativität, Reflexion oder Willen äußert und einen wichtigen Teil der individuellen Prägung ausmacht. Die bewusste Erfassen des Wahrgenommenen nach willkürlicher Hinwendung der Aufmerksamkeit wird auch als Apperzeption bezeichnet.

Mit allen Sinnen

Um Informationen aus seiner Umgebung aufzunehmen, besitzt der Mensch verschiedene Sinnesorgane. Jedes Einzelne ist auf einen bestimmten physikalischen oder chemischen Reiz spezialisiert, das Gehirn setzt diese Puzzleteilchen dann zu einem Gesamtbild der Umwelt zusammen. Um die Informationsflut einzudämmen, müssen Reize eine bestimmte Intensität haben. Sind sie zu schwach, werden sie gar nicht erst wahrgenommen, sind sie zu stark – und damit potenziell gefährlich – lösen sie eine unspezifische Schmerzempfindung aus.

Zu den Sinnesorganen zählen das Seh-, Hör-, Riech-, Gleichgewichts- und Geschmacksorgan, aber auch andere Reizempfänger wie die Mechanorezeptoren, die auf Druck, Berührung oder Dehnung z.B. in den Muskeln reagieren. Prinzipiell lassen sich die Sinneszellen in Extero- und Enterorezeptoren einteilen, wobei Exterorezeptoren Reize von außen wie Licht, Schall, Gerüche oder Berührung empfangen, Enterorezeptoren dagegen Reize innerhalb des Körpers registrieren, z.B. den Blutdruck.

Reizend

Die wahrgenommenen Informationen lassen sich in Gruppen einteilen; entsprechend die Rezeptoren, die auf diese Reize reagieren:

  • Mechanorezeptoren reagieren auf mechanische Reize, also Druck, Berührung, Dehnung oder Vibration. Sie vermitteln die taktile Wahrnehmung (Tastsinn) und – zusammen mit dem Gleichgewichtssinn im Innenohr – die Propriozeption, also die Stellung und Bewegung der Gliedmaßen im Raum (Haltungs- und Kraftsinn). Auch die den Blutdruck messenden Barorezeptoren im Körper und die Härchen der Hörzellen im Innenohr (die auf ihre Verbiegung infolge von Schallwellen reagieren) gehören zu den Mechanorezeptoren.
  • Thermorezeptoren erfassen Temperaturunterschiede, wobei es sowohl für Kälte als auch für Wärme spezielle Messfühler gibt.
  • Chemorezeptoren messen die Konzentration gelöster Substanzen in Körperflüssigkeiten. Bekannte Vertreter dieser Gruppe sind die Geschmacks- oder Geruchsrezeptoren, andere spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation der Atmung (indem sie die Sauerstoff- oder Kohlendioxidverteilung messen) oder – als Osmorezeptoren – im Hormon-, Wasser- und Salzhaushalt.
  • Fotorezeptoren reagieren auf Licht – wichtig sind vor allem die Stäbchen und Zapfen in der Netzhaut, die das Sehen vermitteln.
  • Schmerzrezeptoren kommen im Körper fast überall vor und reagieren recht unspezifisch auf verschiedene Reize wie Hitze, starke mechanische Einwirkungen auf Körpergewebe (z.B. Quetschung) oder giftige chemische Substanzen. Sie vermitteln das Schmerzempfinden (Nozizeption).

In der Zentrale

Sind die Signale aufgenommen, werden sie über dazugehörige Nervenbahnen zu den entsprechenden Sinneszentren im Gehirn weitergeleitet. Dieses funktioniert zunächst einmal als Filter, um den Strudel an hereinstürmenden Informationen in sinnvolle Bahnen zu lenken: Nur wenige Sinneseindrücke gelangen durch dieses Sieb und werden weiter verarbeitet. Wenn man sich vorstellt, wie viele Grashalme sich auf einer Wiese im Wind bewegen, auf der man nur den bunten Schmetterling bemerkt, wird klar, wie wichtig diese Selektion ist. Die Wahrnehmung entsteht unabhängig vom Blickwinkel, vom Wetter, von Form und Farbe des Schmetterlings oder davon, ob wir 20 Zentimeter oder 20 Meter entfernt sind – daran wird deutlich, welch komplexe Leistung bereits hinter diesen ersten Schritten steckt.

Die übrig gebliebenen Reize müssen verarbeitet und interpretiert werden. Unser Gehirn greift dabei auch auf das Gedächtnis zurück – habe ich solch ein schaukelndes Flatterding schon mal gesehen? Ist es eine Hose auf der Leine, ein Luftballon auf der Kirmes, ein Kind auf einem Holzbrett? Bis der Schmetterling als solcher erkannt (und vielleicht sogar noch als Pfauenauge bestimmt) wird, muss das Gehirn wiederum ganz schön arbeiten. Dazu werden die aus den verschiedenen Sinnesorganen eintreffenden Reize koordiniert und zu einer Gesamtschau zusammengefügt. Ist der Schmetterling weit entfernt oder kann ich nach ihm haschen? Ist er groß oder klein, rot oder gelb? Riecht er nach etwas, macht er Geräusche beim Flügelschlagen? Vielleicht empfindet man auch ein wohliges Gefühl bei seinem Anblick, weil er die Erinnerung an gemeinsame Ausflüge mit Opa wachruft. Was also letztlich entsteht, ist ein Abbild der Umwelt, allerdings eines, das nur einen kleinen Ausschnitt zeigt und subjektiv geprägt ist. Dazu hängt die Arbeit des Gehirns nicht nur von den Erfahrungen, sondern auch vom Zustand des Organismus ab (z.B. Hunger, Müdigkeit, Stimmung).

Weiter geht’s

Sobald sich das Gehirn einen Reim auf das Wahrgenommene gemacht hat, entscheidet es blitzschnell, ob Aktionen notwendig sind. Ein lautes Hupen auf der Straße führt zu einem Sprung auf den rettenden Fußweg, ein Zischen im Gras dazu, dass ich mich zur Geräuschquelle drehe und ausweiche, um nicht von der Schlange gebissen zu werden. Ein Hupen im Fußballstadium wird dagegen kaum eine spezielle Reaktion bei mir auslösen, das Zischen beim Öffnen einer Sprudelflasche ruft vermutlich eher Aufmerksamkeit hervor, wenn es fehlt.

Hält die Schaltzentrale Aktionen für nötig, schickt es die entsprechende Aufforderung an die jeweiligen Körperstellen – die Füße hüpfen, die Hand zuckt weg oder hin, die Augen öffnen sich oder werden zusammen gekniffen. Ob eine Reaktion erfolgreich ist und was danach passiert, darüber wird das Gehirn dann wieder durch die entsprechenden Sinnesorgane informiert.

Quelle:Gesundheit.de

12 thoughts on “Wahr-nehmen

  1. Reply theswiss Aug 28,2008

    Spannende Sache!

  2. Reply Thias Aug 29,2008

    In Deiner Einleitung schreibst Du: „Als Mutter eines ADS Kindes ist das Wort Wahrnehmung für mich ständig präsent…“ Leider fehlt mir dann ein Fazit oder ein Finale von Dir. Das wäre nämlich noch interessant.

    So wie ich das sehe: Das im zitierten Artikel beschriebene filtrieren und sieben der Eindrücke und Inputs funktioniert bei einem AD(H)S Gehirn nicht adäquat. Darum strömen die Inputs praktisch unfiltriert auf die Person ein und führen somit zu einer Ãœberforderung, resp. zu „hastigen“ und unstrukturierten Handlungen. Diese „hyperaktiven“ Handlungen werden in der Umwelt als unpassend und störend wahrgenommen (Zappelphilipp) und führen all zu oft zu Zurechtweisungen und Unmut, weil die „Normalos“ damit Ãœberfordert sind!

  3. Reply Bluetime Aug 29,2008

    @thias…dem hab ich nichts mehr hinzu zu fügen:-)
    so isches ebe….
    was das fazit betrifft:ich muss mir selber immer wieder mal vor augen führen wie das für meinen jungen ist wenn alles einfach unfiltriert auf ihn los prallt-dann kann ich auch seine wahrnehmungsprobleme besser verstehen.

  4. Reply Thias Aug 29,2008

    Auch wenn es irgendwie doof tönt: Sei froh, wurde das ADS bei Deinem Sohn erkannt! Wenn dem nicht so wäre, würden ständig alle auf ihm herumhaken.
    Unerkannte ADHS Kinder leiden leider all zu oft unter „Misshandlungen“ durch Worte und Taten.

  5. Reply Bluetime Aug 29,2008

    hmmm…leider wird trotzdem gehackt!

  6. Reply Alexandra Aug 29,2008

    Hi… Ja das kann ich nur bestätigen, auch bei meinem Sohnemann ist das ADHS schon lange diagnostiziert und was hats gebracht? Nichts, er wird gemoppt, gehänselt, die Lehrer sind auch nicht wirklich besser, sind überfordert. Bis auf eine, aber in all den Jahren. 

    Das Problem ist aber auch, dass sie dann wieder in eine Schublade gezwängt werden, was ich auch nicht gut finde und die Verantwortung wird abgegeben oder nicht übernommen. Wir hatten jetzt nen langen Kampf das unser Sohn endlich in eine für ihn angemessene Schule kann, ich hoffe nicht zu spät. 

    Also besser oder einfacher wird es mit der Diagnose nicht. 

  7. Reply Thias Aug 29,2008

    Ja das stimmt. Gehakt wird trotzdem!

    Unsere Schulpolitik und Gesellschaft ist leider viel zu wenig auf solche Kinder eingestellt. Es ist ein Hohn anzunehmen, dass ein Zappelphilipp sich X-Stunden im Klassenraum stillhalten und voller Konzentration die meist öden und monotonen Unterrichtsformen ertragen kann. Da haben heute die Hühner und Kühe mehr Recht auf Freilauf und Bewegung!
    Und all zu oft ist auch das Lehrerinnenpersonal überfordert damit (ob wegen der gestörten Klassengrössen, Ignoranz oder Unfähigkeit sei dahin gestellt).

    Die Antwort der Gesellschaft darauf ist nicht eine Anpassung des (Schul-) Systemes, sondern die Verabreichung von Medikamenten (Ritalin). Das heisst nicht, dass ich gegen die Medis bin, doch das sollte nur eine flankierende Massnahme sein!

  8. Reply Bluetime Aug 29,2008

    @alex…es ist nie für etwas zu spät…findi!
    @thias…was die lehrpersonen betrifft kann ich nur ein lob aussprechen, hier, bei uns!ich hab aber leider auch schon anderes gehört.
    mein sohn nimmt seit 2 jahren concerta , ausser während der ferien und ich bin dankbar für dieses medi, weil es ihn ein stück weit wirklich unterstützt und begleitet!

  9. Reply Alexandra Aug 29,2008

    Hallo Thias

    Genau, immer nur Tabletten. 
    Ich hab mich auch breitschlagen lassen, hab ihm Ritalin gegeben aber leider hat er nur Nebenwirkungen gekriegt und nach 2 Monaten pröbeln und machen hab ich es wieder abgesetzt. Entweder konnte er vor 24 Uhr nicht mehr schlafen und hatte absolut keinen Hunger mehr, oder, er war apathisch, stand völlig neben sich und war nicht mehr der Junge der er ist. 

    Sorry aber sowas tu ich meinem Kind nicht an. Aber man kann sich gut vorstellen wie ich jetzt da stehe, in der Schule, beim Schulpsychologen… Da bin ich unten durch. Da kommen dann so haarsträubende Vergleiche wie, Sie würden doch einem Zuckerkranken Menschen sein Insulin auch nicht verweigern!! Hallo… Mein Sohn braucht das Ritalin nicht um zu Ãœberleben. Sondern damit alle anderen, rund um ihn herum erst mal klar kommen. 

    Ich hoffe mit der Heilpädagogischen Schule, in der er endlich seit 1er Woche kann wird das hin hauen. Da bin ich mir sicher denn zum ersten mal in seinem leben (er ist jetzt 12) freut er sich auf die Schule und geht gerne dorthin!! 

    Aber ich kann dir zu deinem Gesagten nur recht geben!

  10. Reply Alexandra Aug 29,2008

    @ Bluetime

    Nun, weisst… Kann es schon. Leider.  Wenn dein Kind so kaputt gemacht wurde, viel Zeit für Sau war, sorry, weil es so einfach nie wirklich gut lief, dann kanns eben schon zu spät sein. Da ist so viel falsch und wirklich schlecht gelaufen, da sind für ein Kind 6 Jahre einfach zu viel. Klar, kommt immer auch auf das Kind an!

    Aber da ich ja optimistisch bin… glaube ich ganz fest daran das ihm die nächsten 2 Jahre, solange wird er sicher in dieser Schule bleiben können wenn er da auch gut tut *gg*, alles gut läuft und er doch einiges aufholen kann. 

  11. Reply Bluetime Aug 29,2008

    @alex…das was du oben beschreibst ist nicht gut…..das zeigt mir dass die dosis total falsch eingestellt wurde.ich gehe davon aus dass es *nur* ein kinderarzt war?
    durch meinen eigenen beruf bin ich sehr sensibilisiert was medikamente betrifft und mein hausarzt sowie unser kinderarzt kennt meine einstellung dazu-und mich:-)
    bei timo wurde das ganze extrem gut vorbereitet, es wurde mit einer niederen dosis begonnen und das über monate hinweg.nach 3 monaten kann man eigentlich noch gar nichts sagen, s gibt kinder die reagieren nur mit den nebenwirkungen, andere gleich von anfang an positiv.darum sollte man mindestens ein halbes jahr dosieren…das hat nichts mit experimentieren zu tun, es ist schlicht wichtig damit das kind danach gut eingestellt ist. (das selbe gilt für psychopharmaka).
    timo isst auch fast nichts zu mittag, aber er holt es dann beim znacht wieder auf.
    dazu kommt die vernetzung:ich bin konstant mit dem arzt, em psychiater und den lehrpersonen in kontakt-nur so klappts!!
    viel glück für deinen sohnemann, die hps ist sicher ein guter ort!

  12. Reply Alexandra Aug 29,2008

    Es wurde mit dem Psychiater eingestellt, also man hat es versucht. Man hat mir dann aber gesagt das es Kinder gibt die auf Ritalin nicht oder eben eher schlecht ansprechen. Ist zwar selten aber kommt vor.

    Auch bei ihm begann man mit einer niedern Dosis, auf die hat er gar nicht reagiert, man erhöte und erhöte, aber anstelle eine „guten“ Wirkung kamen dann eben nur die Nebenwirkungen zum tragen. Dann hat man es mit den Retardkapseln versucht und auch hier, erst gar nichts und dann gleich richtig deftig. Am Schluss wars so, das er dann am Abend noch mal eine Tablette nehmen sollte um schlafen zu können denn als ihm das Medi ausfuhr war er mega hyper drauf. Und da sagte ich dann stopp.

    Meiner hat gar nichts mehr gegessen. Der Hunger blieb einfach aus. Weniger, ok damit hätte ich leben können aber gar nichts? Ne. Tja, Die Lehrer haben da leider gar nicht mit gemacht. Die waren an keinem einzigen Gespräch das ich vorgeschlagen habe. Aber immer gemotzt und ihn vom Unterricht susbendiert, oder früher nach hause geschickt und und und… Die eine Lehrerin meinte dann mal, die wusste nicht das ich ihm kein Ritalin mehr gab, Dass es jetzt doch merklich besser ging mit ihm. Ha… Klar doch.

    Ja, das denken wir alle auch ;) Das wird schon.

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