Zufrieden? 3

Zufrieden im Job? In der Liebe? Mit dem Leben? Schauen wir doch einmal genau hin: Es sind immer dieselben Denk- und Verhaltensmuster, die uns daran hindern, wirklich wir selbst zu sein. Doch es gibt Strategien, die helfen, sich wieder näherzukommen.

Schon die Vorstellung wirkt beflügelnd: endlich selbstsicherer auftreten. Oder: weniger perfektionistisch sein. Vielleicht sind es auch ganz konkrete Schritte, die ein zufriedeneres Leben versprechen: aus der lähmenden Beziehung ausbrechen und damit wieder offen werden für eine tiefe, aufrichtige Liebe. Klartext mit den Eltern reden und dann nicht länger wie ein Kleinkind behandelt werden. Dem Chef die Meinung sagen. Vielleicht auch gleich die Kündigung schreiben und eine eigene Firma gründen.
Eigentlich würde man gerne… und tut es dann doch nicht. Findet sich mit der Beziehung ab. Behält den öden Job. Strampelt sich weiter ab, um allen gerecht zu werden: dem Baby, dem Mann, dem Besuch, der sich spontan ankündigt. Obwohl man sich doch vorgenommen hatte, sich nicht mehr unter Druck setzen zu lassen.
Die Themen, die uns das Leben schwer, uns unglücklich oder im Extremfall sogar körperlich krank machen, sind so verschieden wie die Menschen selbst. Eines jedoch ist allen gemeinsam: Sie unterliegen ähnlich ablaufenden Denk- und Verhaltensweisen, die uns in entscheidenden Momenten daran hindern, unsere ureigenen Bedürfnisse zu leben, also ganz wir selbst zu sein.

1. VERZICHTEN LERNEN

„Jetzt haben, später zahlen“ – „Geht nicht, gibt’s nicht“: Slogans, die für eine gesellschaftlich verbreitete Grundüberzeugung stehen. Für den Glauben daran, dass heute – zumindest theoretisch – alles machbar ist. Dabei ist es nun mal eine Tatsache: „Ich kann nicht Drillinge kriegen und am anderen Tag zum Surfen nach Hawaii jetten. Gemütlich mit dem Liebsten auf der Couch lümmeln und gleichzeitig konzentriert an der Karriere basteln.“
Schluss mit falschen Versprechungen, dem „Immer höher, immer weiter“, der „Mitnahmementalität“. Es ist an der Zeit, den Leuten zu sagen, dass alles einen Preis hat. Dass wir uns, indem wir uns für etwas entscheiden gleichzeitig gegen etwas stellen.“ Der Mann, mit dem ich leben will, ist ein Nein zu drei Millionen anderen Männern. Wer Wert auf Sicherheit am Arbeitsplatz legt, darf sich nicht selbstständig machen.

Anything goes? Alles ist möglich? Starke, autonome Persönlichkeiten wissen, dass das nicht stimmt. Wie die Frau, die erkennt: Ich werde kein Baby bekommen. Im Prinzip habe sie das schon immer gespürt: „Ich bin kein Mamatyp.“ Dann aber wurde eine Freundin schwanger. Blätterte in Katalogen für Babyausstattung, sprach über das Ungeborene in ihrem Bauch. „Da war dieser Glanz in ihren Augen. Und bei mir kam eine Unsicherheit auf, die mich auch etwas traurig stimmte“, sagt die Frau. Würde ihr etwas fehlen ohne Kinder?
Sie beschließt, sich zu beobachten. Konzertabende. Motorradtouren. Reisen. Dass in dieses Leben kein Kind passt, zeichnet sich immer deutlicher ab. Als der Entschluss zur Sterilisation gefasst ist, gibt sie sich dennoch ein weiteres Jahr, „als Sicherung gegen unvorhergesehene Gefühle“. Nach der OP dann: die totale Befreiung. Keine verkrampften Ãœberlegungen in Sachen Lebensplanung mehr. Vor allem aber: „Eine Liebe, so frei und leidenschaftlich, wie mein Mann und ich sie vorher nicht erlebt haben.“

2. VISIONEN ZULASSEN
Die Situation hat für sie bis heute „etwas Mystisches“. Sie hatte sich mit Freunden in der Stadt verabredet; die Freunde saßen auf einer Treppe und warteten, und da saß noch einer, der übers Wochenende zu Besuch gekommen war und den sie nicht kannte. „Ich sah ihn, gab ihm die Hand und wusste: Du bist mein Mann“, erzählt sie. Zwei Monate später zog sie zu ihm, ein halbes Jahr später heirateten sie, inzwischen haben sie eine Tochter. Oder der Mann, der für eine Tagung in den Schwarzwald fährt und wie verzaubert ist von diesem einen Dorf: Koppeln, gestapeltes Kaminholz, Kinder, die auf den Straßen spielen. Er ruft seine Frau an, sagt: „Hier möchte ich mit euch wohnen.“ Fünf Jahre ist es nun her, dass sich die Familie mit Sack und Pack von Frankfurt und damit von „Rastlosigkeit und permanenter Reizüberflutung“ verabschiedet hat. Und alle sagen: „Es war gut so. Endlich haben wir so etwas wie Heimat, sind angekommen.“

3. GRÃœBELEIEN ABSCHALTEN
Ein verbreiteter Automatismus, der Menschen daran hindert, ihr Leben in die Hand zu nehmen, ist das zwanghafte Nachdenken über Probleme. Auffallend dabei ist, vor allem für Außenstehende: Je länger eine Sache von allen möglichen Seiten beleuchtet wird, desto weniger ist die Sache das Problem. Sondern die Art und Weise, wie über das Problem gedacht wird.

Von „Grübelzwang“ sprechen Fachleute, wenn solche Denkmuster den Alltag bestimmen. Wenn Menschen sich wie von einer unsichtbaren Macht getrieben fühlen und aus konkreten, produktiven Ãœberlegungen diffuse Gedankenfetzen werden, die ungesteuert im Gehirn herumschwirren.
Die „Flucht nach vorn“: Bestimmen Sie einen Platz, etwa einen Hocker oder Sessel, auf dem Problemgedanken – am besten für einen festgelegten Zeitraum – erlaubt sind. Einzige Bedingung: Ist die Zeit abgelaufen, muss der Grübelstuhl verlassen werden. Und außerhalb des Stuhls gilt: keine Grübeleien.
Dem zugrunde liegt Folgendes: Der Vorsatz, nicht grübeln zu wollen, ist ähnlich erfolgreich wie der Wunsch, auf der Stelle einschlafen zu können – wenn wir es uns vornehmen, klappt es erst recht nicht. Darum ist es besser, das Grübeln innerhalb eines definierten Rahmens zuzulassen, als es sich von vornherein ganz zu verbieten.
Die eigenen Gedanken zu kanalisieren, aktiv auf sie einwirken zu lernen – darum geht es. Mit welcher Technik der Einzelne das hinbekommt, ist Typsache, wissen Therapeuten. Der Grübelzettel? Der Grübelstuhl? Oder doch lieber eine Blitzmethode? Mit der Faust auf den Tisch hauen und rufen: Weg mit euch, ihr chaotischen Gedanken? Sich selbst in den Arm zwicken, sobald es losgeht? Vor dem inneren Auge ein knallrotes Stoppschild auft auchen lassen? All das funktioniert, wenn man es nur konsequent genug übt.

4. AUS DER OPFERROLLE AUSBRECHEN
Es gibt Täter und es gibt Opfer. Denken wir. Täter sein hat etwas mit Schuld-auf-sich-
Laden zu tun. Damit, rücksichtslos, ein egoistisches Schwein zu sein. Vor allem Frauen graut es bei dieser Vorstellung. Dann doch lieber in die Opferrolle schlüpfen. Das macht nicht so angreifbar. Und man hat immer eine Ausrede parat: „Ich würde ja gern mehr aus meinem Leben machen. Mehr Kultur, mehr Reisen. Aber es geht nicht, ich habe ja Kinder.“ Oder: „Ich wollte wirklich Karriere machen, aber bei den starren Firmenstrukturen, dem unfähigen Chef war das nicht möglich.“

„Wer sein Leben selbstbestimmt in die Hand nehmen will, muss hier umdenken“.
Nicht anderen oder irgendwelchen Umständen die Schuld für die eigene Situation in die Schuhe zu schieben, sondern sich selbst ins Zentrum des Geschehens zu rücken, darum geht es.
äter? Opfer? Handelnder? Die Alternative zur Frau, die mehrmals pro Woche einen Babysitter bucht, um bei keiner Party zu fehlen, muss nicht die frustrierte, sich selbst verleugnende Stubenhockerin sein. Genauso gut kann es etwas mit Reife zu tun haben, eine neue Lebenssituation be-
wusst anzunehmen. Zu sagen: „Ich habe mich entschieden, die Prioritäten anders zu setzen.“ Möglich, dass diese Ãœbung bei einer besonders hartnäckigen Opferhaltung erst beim zweiten Anlauf funktioniert.
„Ich habe mich für Kinder entschieden. Deshalb geht’s jetzt erst mal nicht zur Party oder in den Karibik-Urlaub.“ Das Prinzip: Die Opferfloskeln so lange umbenennen, bis man zum Kern des Problems vorgedrungen ist: zu sich selbst.

5. MISSFALLEN LERNEN
Vor allem Frauen mutieren oft zu meinungs-
losen Ja-Sagerinnen – sie leihen der Freundin das Auto, damit sie mit ihrem neuen Flirt zum Baggersee kann – und verbringen den Samstag selbst im überfüllten Freibad.
„Machen Sie sich klar, was hinter Ihrem Verhalten steckt“, „Es ist die Vorstellung: Wenn ich Nein sage, dann werde ich nicht mehr gemocht.“

Kurzfristig mag das vielleicht sogar stimmen. Die Freundin, die mit dem Bus zum Bagger-
see fahren muss, ist erst mal beleidigt. Doch der Glaube, von anderen nur Anerkennung zu bekommen, wenn man stets zuerst die Bedürfnisse des Gegenübers erfüllt, ist falsch. Das Gegenteil trifft zu: „Wer immer wieder gegen seinen Willen handelt, wird respektlos sich selbst gegenüber – was dazu führt, dass man irgendwann auch von anderen nicht mehr respektiert wird“. Ohne gelebte eigene Bedürfnisse entsteht kein Selbstwertgefühl. Und ohne Selbstwertgefühl bekommt man keine Anerkennung. So einfach ist das. Theoretisch.
In der Praxis erfordert es jedoch einige Ãœbung, Nein zu sagen. Und sich nicht auf Diskussionen einzulassen. Doch man muss nicht erklären, weshalb man das Auto nicht verleihen kann. Ein „Tut mir leid, diesmal geht es nicht“ genügt.
Zu gewagt, ein solch bestimmtes Auftreten der Freundin oder Kollegin gegenüber? Man kann auch gemäßigter üben zu missfallen – indem man einmal ausprobiert, was passiert, wenn man bei einer Kaffeerunde das letzte Stück Kuchen nimmt. Oder die Wohnung nicht putzt, obwohl Besuch kommt. Eben Dinge macht, von denen man befürchtet, sie brächten einem Minuspunkte in der Gunst anderer ein.

3 thoughts on “Zufrieden?

  1. Reply schocan Nov 2,2007

    so viel Wahrheit am Freitagabend! Immer wenn ich sowas bei Dir lese denke ich, das sollte doch zu schaffen sein, liest sich so einfach!

  2. Reply Bluetime Nov 2,2007

    lach @schocan…sowas denk ich auch, drum knall ichs mir dann hier auf den blog, auf dass ichs immer wieder sehe:-))

  3. Reply Menachem Nov 2,2007

    Dann mache bitte noch eine automatische Wiedervorlage aus diesem tollen Artikel, vielleicht wöchentlich. Ist der von dir? Egal, er ist super.

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